
Leichtfüßig statt schwerfällig
Manche Arbeitstage beginnen wie ein Textadventure der frühen Achtziger:
„You are in a maze of twisty little passages, all alike.“
Die Anforderungen gleichen sich, der Output ist mau, der Outcome mehr als fraglich. Es gibt tausend Dinge zu tun, und nichts davon passt zu dir, heute, jetzt und hier: Du hast Lust auf kreative Höhenflüge, aber musst noch Dateien in ein besseres Ordnersystem einpflegen. Statt eines Shootings mit Kunden warten elend viele Bilddateien auf Nachbearbeitung. Und trotzdem brauchst du nicht nur all das, sondern auch noch eine ausformulierte Idee für den nächsten Pitch. An solchen Tagen wünscht man sich, dass jemand kurz die Hand hebt und sagt: „Lass mich dir ein Stück Arbeit abnehmen.“
Erinnerst du dich noch an den Anfang unserer Serie? Wir wollten auch darüber reden, dass der Einsatz von KI, vor allem von Sprachmodellen, nicht nur Aufmerksamkeit und menschliche Verantwortung erfordert, sondern auch verflixt viel Spaß machen kann – wenn man zwar die Regeln beachtet, aber seinen neuen kleinen Roboterfreund (oder -freundin, wer weiß das schon) auch als Spielkamerad:in wahrnimmt.
Denn wenn du weißt, wie du Risiken erkennst (Kapitel 1), wann du misstrauen solltest (Kapitel 2), und wie du ethisch klar bleibst (Kapitel 3), dann beginnt etwas Neues:
Dein Computer spricht wirklich mit dir. Und für die Nerds unter uns ist das eine ziemlich große Sache.

Human First – Machine Fast
Mit Gippity, o3 und 4o hat sich bei mir ein Arbeitsrhythmus eingeschliffen, der funktioniert. Ein Workflow in drei Schritten: Seed – Explore – Shape.
• Seed: Ich formuliere, was ich will: Ziel, Ton, Richtung.
• Explore: Die KI liefert: Ideen, Varianten, Textvorschläge, Bilder, Code.
• Shape: Ich wähle, streiche, überarbeite, verdichte – bis es klingt wie ich, bis meine Arbeit Form annimmt.
Das ist, sofern ich Qualität möchte, nicht weniger Arbeit. Es ist eine andere, die klarer im Fokus ist. Schneller im Start. Und ehrlicherweise war ich schon in der Schule Meisterin des „muss reichen“ für die ein oder andere Aufgabe. Manchmal muss es einfach gut genug sein – Schnelligkeit siegt.
In anderen Anwendungsgebieten – KI in der Medizin (Quelle) zum Beispiel – nutzt man sie ja genau deswegen: Kein Mensch kann so schnell zytologische Bestimmungen machen wie die KI. Und wenn ihr jetzt anhand der vorangegangenen Kapitel „Au weia“ denkt – jaaaa schon, allerdings reden wir bei solchen KI-Anwendungen ja nicht von meiner liebsten Labertasche ChatGPT oder überhaupt LLMs, die ich höchstens mit sorgfältigem Training als Gesellschafter:in beim Romméspielen im Altenheim einsetzen würde.
Aber ich weiche ab. Wie arbeite ich also mit dem Ding? Hier mal vier Beispiele aus unterschiedlichen Blickrichtungen:
Vier Rollen – vier Playbooks
Rolle | Seed (Impuls) | Explore (Ideenphase) | Shape (Veredelung) |
Design | Mood Brief: „Urban Jungle, Farbe #499434“ | Midjourney liefert zehn Layout-Varianten | Favoriten kombinieren, Typo anpassen, Details verfeinern |
Fotografie | Posen-Ideen für ein Teamshooting | Kompositionen, Lichtstimmungen | Realer Shoot, Retusche, Bias-Check |
Entwicklung | Wunschfeature in React | Copilot generiert Grundstruktur, UX-Optionen | Refactoring, Security-Check, Finetuning |
Text/Coaching | Metapher für „psychologische Sicherheit“ | GPT liefert Storyskizzen, unterschiedliche Töne | Auswahl, Stilfeinschliff, narrative Rahmung |
Das heißt: Ich sage Gippity, was ich vorhabe. Sagen wir, einen LinkedIn-Post zu einem bestimmten Thema, ein Anschreiben, eine Outline für einen Vortrag. Im ersten Schritt bitte ich um einen verfeinerten Prompt, der abdeckt, was ich möchte, und überprüfe diesen. Wenn ich diese Sache häufiger brauche, speichere ich mir diesen Prompt in meiner Prompt-Liste.
Dann lasse ich einen ersten Entwurf in meiner gewünschten Tonalität erstellen. Nach vielen Monaten Training trifft es meist schon ganz gut, was ich mir wünsche. Mal mehr, mal weniger daneben.
Ein LinkedIn-Post oder Anschreiben für irgendein Amt ist an dieser Stelle – nach einer Überprüfung der Fakten – vielleicht schon fertig.
Ein tiefergehender Gedanke, eine Vortragsoutline, eine Idee für einen Workshop führt zu einem Pingpong-Spiel, bei dem Gippity mal Editor, mal Zielgruppe simuliert – und an dessen Ende das von mir mehrfach umgeschriebene Ergebnis steht.
Ein Beispiel von Gippity:
Social-Media-Post für ein Design-Angebot
🎯 Ziel: Ein Instagram-Post, der auf ein neues Design-Coaching-Angebot für junge Kreative in Agenturen aufmerksam macht – lässig, klar, mit Vibes statt Verkaufsdruck.
1. Seed – Was will ich eigentlich sagen?
🧠 Guter Prompt:
Ich will einen Instagram-Post schreiben, der mein neues 1:1-Coaching für junge Designer:innen anteasert. Zielgruppe: Kreative aus Agenturen, die sich gestalterisch weiterentwickeln wollen, aber öfter im Tagesgeschäft stecken bleiben. Ton: locker, visuell, inspirierend. Ich möchte nicht direkt verkaufen, sondern Lust auf den Austausch machen. Bitte formuliere daraus einen präzisen Prompt für die Explore-Phase.
✅ Ergebnis: Ziel, Stil und Haltung sind klar – ein idealer Ausgangspunkt für Explore.
2. Explore – Optionen generieren lassen
🎨 Verfeinerter Prompt aus Seed:
Erstelle drei Varianten für einen Instagram-Post, der mein neues Design-Coaching-Format für junge Kreative anteasert. Zielgruppe: Designer:innen in Agenturen, die mehr Tiefe und Richtung in ihre Arbeit bringen wollen. Ton: leicht ironisch, inspirierend, ein bisschen edgy. Kein Sales-Talk. Spiel gern mit Bildideen, Emojis oder Wortspielen. Textlänge max. 500 Zeichen.
✅ Ergebnis: ein Mix aus Hooks, Mood-Vibes und Varianten für unterschiedliche Feeds.
3. Shape – Auswahl und Feinschliff
✍️ Guter Prompt für den Feinschliff:
Variante 1 gefällt mir. Bitte bring den Text auf den Punkt:
– keine Floskeln
– maximal 400 Zeichen
– gern ein kleiner Twist am Schluss
– optimiere den Lesefluss für Insta (Absätze, Emojis, kein Blabla)
Danach ergänze ich Bildidee und Hashtags selbst.
✅ Ergebnis: eine pointierte, visuelle Caption – bereit für die Story oder den Post.
Wir haben mit der Frage begonnen, welche Tätigkeiten noch Zukunft haben, wenn generative KI einfache Texte, Bilder oder Designs nicht nur günstiger, sondern auch schneller als viele Menschen und in akzeptabler Qualität liefern kann. Die Antwort ist klar: Tätigkeiten, die rein ausführend sind, geraten unter Druck. Was bleibt, sind die Aufträge, die strategisches Denken, Kontextverständnis, Fingerspitzengefühl verlangen – Dinge, die (noch) kein Modell gut beherrscht.
Es geht nicht nur um Effizienz, sondern auch um Verantwortung. Wer mit KI arbeitet, bewegt sich in einem rechtlich und ethisch anspruchsvollen Raum. Transparenz, Datenschutz, Bias-Erkennung: all das ist nicht Beiwerk, sondern Voraussetzung für Vertrauen.

Am Ende steht deshalb nicht die Maschine im Mittelpunkt. Sondern unsere Fähigkeit, sie klug zu nutzen. Als Werkzeug. Als Denkpartner:in. Und manchmal vielleicht als kleiner Ideenbeschleuniger.
KI ersetzt keine Ideen. Sie hilft vielleicht, sie schneller zu sortieren. Sie trägt keine Verantwortung. Sie hilft vielleicht, Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. Sie ist nicht neutral. Sie lässt sich von dir aber (immer wieder neu) ausrichten.
Vielleicht ist das hier nicht der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Vielleicht ist es der Auftakt zu einer Arbeitsweise, die strukturiert, reflektiert – und, ja, auch lustig sein kann.
Denn so viel steht fest: Die Regeln ändern sich. Und Arbeit darf – auch im Zeitalter der Automatisierung – leicht, menschlich und voller Spielfreude sein.
Alle Angaben ohne Gewähr. Stand April/Mai 2025. Kein Ersatz für Rechtsberatung.
Wie arbeitet ihr eigentlich mit KI?
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