Skip to main content
Freelancer:innen

Was macht die Zusammenarbeit mit Freelancer:innen aus?

By 18. Januar 2023No Comments
Freelancer:innen aus der Community in Frankfurt

Freelancer:innen schaffen eigene Strukturen und Netzwerke. Statt von anderen konstruierte Karriereleitern hinaufzusteigen, schärfen sie lieber ihre Expertise. Manche streben 45 Tage Urlaub im Jahr an, andere Umsätze, die ihnen eine 120 Quadratmeter große Wohnung im Frankfurter Nordend ermöglichen. Sie beraten, restaurieren, forschen, programmieren, illustrieren und passen in keine normative Schublade. Als soloselbstständige Sonderlinge springen sie täglich über bürokratische und kulturelle Hürden. Der Wille, frei zu entscheiden, treibt sie an.

Aber wie sieht die Zusammenarbeit mit ihnen aus? In Gesprächen mit verschiedenen Auftraggeber:innen, die selbstständige Wissensarbeit als Dienstleistung einkaufen, fanden wir Antworten.

Ideen. Netzwerk. Kreativität. Breiter Erfahrungshorizont und andere Arbeitsweisen. Das alles ist bei Freelancer:innen auf Abruf vorhanden. Es beschleunigt Prozesse und ermöglicht Innovation.

Head of IT Validation, Internationales Pharmaunternehmen

Selbstständige Wissensarbeiter:innen gehören einer äußerst heterogenen Gruppe an. Je nach Fachgebiet, Berufserfahrung und Soft Skills helfen sie Unternehmen dabei, ihre individuellen Ziele zu realisieren. Bei der Frankfurter Buchmesse etwa unterstützen sie das gesamte Team und unsere Interviewpartnerin, die Marketing Managerin Nicole Behnke, in verschiedenen Bereichen während arbeitsintensiver Phasen und bei kurzfristigen Projekten. Sebastian Zahn, Performance Marketing Manager bei Penguin Random House, schätzt geistiges Kapital rund um digitale Tools. Christian Keul, Senior Public Relations Consultant bei gfu Consumer & Home Electronics, greift auf Strategieentwickler:innen genauso zu wie auf Social Media Verantwortliche. Andrea Griesinger, Partnerin der Unternehmensberatung Upgrade., verlässt sich auf Fachwissen in den Bereichen IT oder Design und in besonderen Fällen auf projektspezifisches Know-how, das in Beratungsaufträge hineinfließt. Thomas Schwarz, Director Human Resources bei Engelhard Arzneimittel, hingegen nutzt gerne die Expertise von Interimsmanager:innen.

Freelancer:innen sind das Salz in der Suppe.

Christian Keul, Senior Public Relations Consultant, gfu Consumer & Home Electronics

Um mit ihren Eigenschaften zu überzeugen, tragen Konsumgüter allerlei Etiketten und Gütesiegel. Expert:innen weisen wiederum Zeugnisse und Kursbescheinigungen vor. Doch lässt sich die Qualität einer möglichen Zusammenarbeit kaum an Zertifikaten ablesen und Menschen liegen nicht in Supermarktregalen herum. Deshalb suchen Kund:innen passende Fachkräfte an unterschiedlichen Orten. Unsere Interviewpartner:innen schauen sich zuallererst in ihrem Netzwerk um: Sie setzen am liebsten auf persönliche Beziehungen, weil diese einen Vertrauensvorschuss geben und Vertrauen schließlich Risiken minimiert. Erweist sich die Kooperation als fruchtbar, kommen Projektverantwortliche immer wieder auf dieselben Expert:innen zurück, was die Effektivität steigert. Jenseits bekannter Pfade legen LinkedIn, Google, Podcasts und Artikel Spuren zu Websites von Freelancer:innen. Vermittlungsagenturen picken Spezialist:innen aus ihrem Portfolio heraus. Freelance-Plattformen, denen unsere Interviewpartner:innen verbesserungswürdige Nutzererlebnisse bescheinigen, präsentieren in Schablonen gepresste Profile. Gatekeeper verfolgen freilich ihre eigenen Interessen und so bestimmen zumeist intransparente Verfahren und Algorithmen den Auswahlprozess.

Was will ich genau? Und in welcher Qualität? Das auszuformulieren fällt nicht immer leicht.

Sebastian Zahn, Performance Marketing Manager, Penguin Random House

Die Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit bildet das Briefing. Ausgerechnet dieser elementare Baustein stellt viele Auftraggeber:innen jedoch vor große Herausforderungen. Denn es gilt, den Kern des eigenen Unternehmens sowie Erwartungen in Worte zu fassen, die das Gegenüber versteht. Wie ticken wir? Ist die Zielsetzung klar? Welche Qualität erwarten wir? Welche Rolle übernehmen Expert:innen innerhalb unseres Projektes? Wie groß fällt das Budget aus? Wann sollen Ergebnisse auf dem Tisch liegen und wie aussehen? Wie kommunizieren wir? Sind sämtliche Details berücksichtigt? Insbesondere beim allerersten gemeinsamen Projekt müssen alle Aspekte sehr hell beleuchtet werden. Als Freelancer:innen stimmen wir mit unseren Interviewpartner:innen überein: traue keinem Menschen, der nach erhaltenem Briefing auf Rückfragen verzichtet.

Freelancer:innen sind ad hoc verfügbar. Aber, das muss man wissen und einkalkulieren, nicht hundertprozentig einem Unternehmen ‚ergeben‘.

Nicole Behnke, Marketing Managerin, Frankfurter Buchmesse

Beratungsunternehmen oder Freelancer:in? Manchmal stehen Kund:innen vor einer Entweder-oder-Entscheidung. Für soloselbstständige Expert:innen spricht, dass sie keinerlei unternehmensinterne oder administrative Agenda verfolgen – wer ohne Verwaltungsapparat auskommt, muss diesen auch nicht aufrechterhalten. Eine unabhängige Fachkraft arbeitet sich mühelos ein. Als menschliche Ressource sind ihre Kapazitäten allerdings begrenzt. Freelancer:innen bilden deshalb häufig Netzwerke mit Kolleg:innen, auf die Auftraggebende zurückgreifen können. Der Umfang der Aufgabe, interne Erfahrungswerte und Vorgaben bestimmen letztendlich, für welche Art der externen Unterstützung sich Unternehmen entscheiden.

Wir schätzen in unserer Arbeit den unabhängigen Geist der Freelancer:innnen.

Andrea Griesinger, Partnerin, Upgrade.

Selbstständige Wissensarbeiter:innen füllen vorübergehend Lücken, ergänzen bei Bedarf das Kompetenzportfolio, helfen unkompliziert zu skalieren, bestimmte Wissensbereiche aufzubauen und in stressigen Zeiten, Ruhe zu bewahren. Sie verursachen keine Fixkosten. Ihre Honorare werden in Projektbudgets eingerechnet. Vor allem aber liefern sie wertvolle Impulse, die von innen heraus nicht kommen können. Weil sie, vielfach parallel, in verschiedene Projekte und Umgebungen integriert sind, schöpfen Freelancer:innen aus zahlreichen Begegnungen. Ihre unabhängige Stellung innerhalb eines Projektes ermöglicht es ihnen, den Status Quo zu hinterfragen, ohne interne politische Konsequenzen fürchten zu müssen.

Auf der nehmenden Seite fehlt häufig die Wertschätzung.

Christian Keul, Senior Public Relations Consultant, gfu Consumer & Home Electronics

Interne Teams agieren nicht selten verwaltend, wohingegen Freelancer:innen unternehmerisches Denken mitbringen. Das verursacht mitunter Konflikte. Der Vorwurf „zu teuer“ wird von unerfahrenen Ansprechpartner:innen erhoben, da sie weder durchschnittliche Marktpreise kennen noch sich der Tatsache bewusst sind, dass der Umsatz nicht dem Nettogewinn entspricht. Muss also eine Person schon mal auf der anderen Seite des Spiegels gestanden haben, um das Geschäftsmodell unabhängiger Fachleute zu verstehen? Und nutzt wiederum den Spezialist:innen eine Erfahrung als Angestellte? Auf jeden Fall. Doch kann man das Verständnis für Abläufe und Denkweisen auch voneinander lernen. Klar formulierte Erwartungen einerseits und transparente Kostenaufstellungen andererseits schaffen gute Voraussetzungen für eine respektvolle Partnerschaft. Kooperiert ein Unternehmen regelmäßig mit freien Fachkräften, macht es Sinn, Richtlinien festzulegen sowie Best Practices über Teams und Silos hinweg zu teilen. Kontinuierliche und zielführende Kommunikation sichert optimale Ergebnisse.

Noch vor sieben Jahren waren externe Expertinnen eine Ausnahme. Jetzt ist ihre Beauftragung zur Selbstverständlichkeit geworden. Da unser Geschäft immer projektlastiger wird, glaube ich, dass der Bedarf an Freelancer:innen auch bei uns steigen wird.

Thomas Schwarz, Director Human Resources bei Engelhard Arzneimittel

In anderen, vor allem angloamerikanischen Ländern spricht man bereits von einer „Freelance Revolution“. Dort verbessern sich die Rahmenbedingungen für Freelancer:innen stetig. Deutschland hingegen hinkt, wie bei der digitalen Revolution, hinterher; ein Kausalzusammenhang drängt sich auf. Das Potenzial alternativer Erwerbsmodelle wird längst nicht ausgeschöpft. Und das, obwohl der Fachkräftemangel etliche Projekte stocken lässt. Unsere Interviewpartner:innen schätzen die Flexibilität, die ihnen selbstständige Expert:innen in einer sich ständig verändernden Umgebung bieten. Durch hohe intrinsische Motivation, unternehmerische Risikofreude und den längst vor der Pandemie selbstverständlichen Umgang mit Remote Work zählen Freelancer:innen als ideale Sparringspartner:innen für zukunftsgerichtete Unternehmen.

Das Potenzial ist bei weitem nicht ausgeschöpft. Ich stelle mir die Frage: Was definiert eigentlich eine Firma? Geht es um den Ort des Firmensitzes und Angestelltenverträge? Oder geht es darum, gemeinsam erfolgreich an einem Produkt zu arbeiten?

Andreas Diwisch, Release Train Engineer bei einem internationalem E-Bike-Hersteller

Und nun?

Was möchtest Du über die Zusammenarbeit mit Freelancer:innen wissen? Du bist Freelancer:in oder Auftraggeber:in und hast spezifische Fragen? Lass es uns wissen – wir führen den Dialog fort.

Lesempfehlungen